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KLASSENTREFFEN
Eigenproduktion des Seniorenclubs BaSta
Mit einem eindrucksvollen Debüt präsentierte sich "BaSta", die neu gegründete Seniorentheatergruppe des Badischen Staatstheaters Karlsruhe, in der INSEL. Das 13-köpfige Team um den Regisseur und Theaterpädagogen Jochen Wietershofer ließ mit der selbst verfassten Textcollage Kindheit im Krieg, die Zeit des Wiederaufbaus aus der Sicht Heranwachsender und die Realitäten des Alters munter Revue passieren - absolut glaubwürdig und erstaunlich professionell. Ihr "Klassentreffen" auf der sparsamst ausgestatteten Bühne, ohne Kostüme und Requisiten hatte Klasse und wirkte vor allem durch seine Ehrlichkeit und Selbstironie. Scheinbar mühelos bewältigten die Darsteller die ständigen Rollenwechsel zwischen Kind, Halbstarken und Senioren - eine Leistung, die im vollbesetzten Haus vom Publikum gebührend gewürdigt wurde.
(Badisches Tagblatt, 16.01.2004)
Pressetext BaSta/ Premiere 05.12.08, 20.00Uhr/ INSEL/ Badisches Staatstheater Karlsruhe
„Dem Theaterpädagogen und Regisseur Jochen Wietershofer (ist) mit der Gruppe eine dichte, eindringliche Aufführung gelungen, die gerade in ihren stillen Momenten eine beklemmende Kraft entfaltet. Die sechs betagten Darsteller, die in den Rollen der ‚Gepflegten’ auftreten, entwickeln in nuanciertem Zusammenspiel sorgfältig abgestufte, szenisch vitale Bilder, die sogar der Tristesse dieser Lebensstation einen rührend hilflosen, ja zärtlichen Humor abgewinnen. Die ‚Pflegenden’ in Gestalt des Heimpersonals lassen bei allem abgebrühten Sarkasmus die Bedrängung spüren, die die Frauen angesichts der alltäglichen Konfrontation mit Verfall und Tod empfinden und die ihr notwendiges Ventil in scheinbar flapsiger Ungerührtheit sucht. Da werden versehrte oder zumindest verletzliche Seelen in pointiert schroffer Verpanzerung vorgeführt – ferne Töchter eben des legendären Film-Gorillas King Kong, in dessen gewaltiger Schale doch ein zarter, liebevoller Kern steckte. So ist etwa hinter der kumpelhaften Kaltschnäuzigkeit der Pflegerin Berta (Gisela Osterlow) stets auch innere Bewegung zu spüren; die zupackende Pragmatik ihrer Kollegin Carla (Dietlinde Ade) verbirgt nicht ihre Besorgnis über das Leid der anvertrauten Senioren; und Meggi (Christl Dörr), die sich vom Leben mehr erträumt hatte als Windelwechsel und Fußpflege der Greise, ist mit erkennbarer, tätiger Menschenliebe dabei. Sorgfälige Konturen machen auch aus den Bewohnern des Heims eine erschütternde Galerie mitleidswürdiger Einzelschicksale, deren geistiger wie körperlicher Niedergang stets Raum lässt für Respekt und Teilnahme – etwa bei dem ergreifend fahrigen Herrn Nübel (Erhard Hottenroth), dem spät und diskret verliebten Herrn Pott (Kurt Meyer), der erschütternd verstörten Frau Albert (Lucia Wegner) oder dem korrekt hölzernen, innerlich aufgewühlten Herrn Greti (Frank Osterlow), deren nüchterner Speisetisch zum Ort eines auch religiös grundierten Abendmahls wird, während ihre leidende Mitbewohnerin Tormann (Christa Kleykamp-Reiss) im Rollstuhl stumm dabeisitzt und dann unter den pflegenden Händen der Angestellten beiläufig wegstirbt. Die 70-minütige Einstudierung erreichte dank Wietershofers psychologischem Geschick und überdies durch die hohe, nicht zuletzt altersbedingte Identifikation zwischen Spielern und Spielfiguren eine Verbindung von Genauigkeit und Spannung, Gefühlskraft und Empfindungstiefe, abgeklärter Heiterkeit und beengender Leidensstärke (…). Das Publikum zeigte sich nachhaltig beeindruckt und spendete inständigen Beifall."
(Badische Neueste Nachrichten, 08.12.2008)
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Nach einer Eigenproduktion, drei Klassikerinszenierungen und zuletzt der vielbeachteten Produktion von Theresia Walsers "King Kongs Töchter“ beschreitet und erprobt die Seniorentheatergruppe "BaSta“ am Badischen Staatstheater in mehrfacher Hinsicht neue Wege im Seniorentheater. Erstmals wird dieser preisgekrönte Text der Autorin Ingeborg von Zadow von Senioren und aus deren Sicht und Perspektive gespielt und mobil auf die Bühne gebracht und erfährt damit ganz neue Bedeutungszusammenhänge. Eigentlich fürs Kinder- und Jugendtheater geschrieben, beleuchtet Zadow mit knappen Dialogen Grundprobleme menschlichen Zusammenlebens, die vor dem Alter nicht halt machen: Katt und Fredda haben eine lange Reise voller Mühen und Strapazen hinter sich. Gerade als beide alle Hindernisse überwunden zu haben glauben und gemütlich beieinander sitzen, erhalten sie Besuch, der ihre Beziehung auf eine harte Probe stellt und die gewohnte Ruhe und Ordnung gehörig durcheinander wirbelt. Beziehungsmuster werden in Frage gestellt, verdrängte Ängste und Sehnsüchte plötzlich sichtbar, die Zweierbeziehung an sich scheint in Gefahr. Die Senioren unter Leitung ihres Regisseurs Jochen Wietershofer gehen diesmal der Frage nach, ob und wie gerade im Alter Neues und Ungewohntes Raum finden kann. |
Pressespiegel:
Fit bleiben mit Theaterspielen - An deutschen Bühnen gibt es immer
öfter Senioren-Ensembles Von Christine Süß-Demuth (epd) Karlsruhe (epd). Immer mehr ältere Menschen entdecken im Alter ihre Lust am Theaterspielen. Angebote für Laiendarsteller jenseits der 60 finden sich nicht nur bei Volkshochschulen, Kirchengemeinden oder Seniorenzentren, sondern auch in Produktionen professioneller Bühnen wie dem Tübinger Landestheater oder dem Badischen Staatstheater in Karlsruhe. Zu den Laiendarstellern in Karlsruhe gehört Elmar Sauter. «Ich wollte im Ruhestand endlich mal meine rechte Gehirnhälfte trainieren», erklärt der emeritierte Professor für Physik lächelnd seine Motivation fürs Theaterspielen. Schließlich habe er sein ganzes Berufsleben vor allem seine linke Gehirnhälfte benutzt, die für mathematische, logische, analysierende Fähigkeiten steht. Jetzt trainiert er Fantasie, Emotion, Intuition im Ensemble von «BaSta». Die Proben unter Leitung des Regisseurs und Theaterpädagogen Jochen Wietershofer verlangen von den Schauspielern nicht nur Konzentration, sondern auch Kondition. Dem stimmt Sauter zu. Natürlich müsse er üben, üben, üben, um den Text zu lernen, berichtet der 78-Jährige, «und dann klappt es». Ebenfalls seit 2002 ist Lucia Wegner (71) dabei. Im Gegensatz zu Sauter hatte die frühere Leiterin eines Hospizdienstes schon in ihrer Kirchengemeinde erste Erfahrungen im Amateurtheater gesammelt. Sie hatte sich ebenfalls auf eine Zeitungsannonce für das Senioren-Ensemble beworben. Ursprünglich hatte Autorin Ingeborg von Zadow (Mannheim) das Stück «Besuch bei Katt und Fredda» fürs Kinder- und Jugendtheater geschrieben. Nach der Premiere am Mittwochabend ist sie begeistert, wie die Senioren das Stück umgesetzt haben. Dies ermögliche einen ganz neuen Blick auf den Inhalt der Dialoge. In dem Stück geht es um die Grundprobleme menschlichen Zusammenlebens, die Jung und Alt gleichermaßen betreffen. Katt und Fredda haben es sich nach einer strapaziösen Reise zu Hause gemütlich gemacht. Ein Besuch stellt ihre Beziehung auf eine harte Probe. Beziehungsmuster werden infrage gestellt, verdrängte Ängste und Sehnsüchte plötzlich sichtbar, die Zweierbeziehung an sich scheint in Gefahr. Das Theaterspiel sei eine Möglichkeit, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sagt Wietershofer. Seniorentheater wolle jedoch nicht nur die Lebenswirklichkeit alter Menschen abbilden, sondern Probleme schildern, die jüngere Menschen ebenso wie ältere haben. «Wobei wir gerade auch die Antworten brauchen, die ältere Menschen auf unsere Fragen haben», meint Wietershofer. Er prognostiziert, dass es in zehn Jahren an allen öffentlichen Theatern Seniorenensembles geben wird. Dies helfe, das Altersbild in der Gesellschaft zu verändern. Die alten Menschen würden so den öffentlichen Raum für sich zurückerobern. Bereits seit 1996 gibt es den Bundesarbeitskreis Seniorentheater im Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT) in Heidenheim. Ziel ist es, das Seniorentheater in Deutschland in seiner kulturellen wie sozialen Bedeutung herauszustellen, es zu fördern und überregional zu stärken. «Theaterspiel mit alten Menschen ist ein Sprachrohr», heißt es in der «Scheinfelder Erklärung zum Theater von und mit alten Menschen» des BDAT, die von Wietershofer mit initiiert wurde. «Selbstbewusst und mit großem Engagement werden über das Theaterspiel schlagfertige Antworten auf Jugendwahn, Altersangst und dadurch auch neue Bilder (Selbstbilder) vom Altern in unserer Gesellschaft gesetzt.» Theaterspiel mit alten Menschen sei so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Ob Erinnerungstheater, Seniorenkabarett, Generationentheater, Mundarttheater, Erzähltheater, therapeutisches Theater mit Demenzkranken - Theaterspiel mit alten Menschen sei ein Netz gegen Einsamkeit und ein Ort der Begegnungen, heißt es in der Erklärung weiter. Die Gruppe wird beim Seniorentheaterfestival des Landestheaters Tübingen am 13. bis 15. Juni dabei sein. Aufführungen von «BaSta» sind auch buchbar für Termine in Seniorenheimen oder anderen Einrichtungen." epd, 20.02.2010
"Freilich, in dem 'Besuch'-Drama sind die Protagonisten Katt und Fredda, die nach langer Reise endlich zu Hause 'angekommen' sind und dann in ihrer trauten Zweisamkeit durch den Besuch einer gewissen Miranda gestört werden, nicht notwendigerweise als Greisenpaar entworfen. Es geht eher um den modellhaften Versuch, wie eine eingespielte Verbindung irritiert und aufgebrochen werden kann durch den Reiz des Ungewohnten und wie die Macht der Gewohnheit sich gegen das Neue zur Wehr setzt. Badische Neueste Nachrichten, 19.02.2010 "Karlsruher Seniorentheater überzeugt. Zwei Stühle, zwei Kaffeetassen, zwei Teller: Das passt wunderbar, da herrscht Ordnung. Katt und Fredda haben es gut miteinander, bis ein unvorhergesehener Eindringling ihre wohlig temperierte Beziehung in Frage stellt. Dass diese gefährdete Beziehungskiste ausgerechnet von einer Seniorentheatergruppe auf die Bühne gestellt wird, ist außergewöhnlich genug; was die drei 'BaSta'-Akteure unter der Leitung von Jochen Wietershofer in der Karlsruher 'Insel' aus diesem ursprünglich für Jugendtheater bestimmten Stück machen, umso mehr. Da geriet sogar die Autorin Ingeborg von Zadow ins Staunen.
Lucia Wegner und Elmar Sauter verkörpern das alte Ehepaar, da aber eigentlich in seiner Festgefahrenheit zeitlos ist. Ob 40 oder 80 – behagliche Langeweile herrscht bekanntlich in vielen Dauerbeziehungen. So reagiert Fredda auch zunächst verschreckt auf die Gedankenspiele Katts, was wäre, wenn ein Besuch für Abwechslung sorgen würde. Als dann das Unvorstellbare eintritt – in Gestalt der Besucherin Miranda (Dietlinde Ade) – erlebt Katt sein blaues Wunder. (…) Es ist bewundernswert, wie es dem Trio auf der sparsamst eingerichteten Bühne gelingt, die Spannung zu halten und völlig vergessen zu lassen, dass hier Senioren Theater spielen. Es geht um Menschen, ihre Sehnsüchte und Ängste – und die sind alterslos. Das Premierenpubnlikum dankte mit viel Applaus für die außergewöhnliche Vorstellung, mit der 'BaSta' auch auf Tournee gehen wird." Badisches Tagblatt, 19.02.2010 |
Einladung mit der Produktion "Besuch bei Katt und Fredda" ans Hamburger Schauspielhaus zum Festival "Herzrasen":
Herzrasen
3. Theatereffen [60+]
Ein verlängertes Wochenende in Theorie und Praxis
29. September bis 3. Oktober 2010
PETER GLOTZ
Nach zwei erfolgreichen Ausgaben von »Herzrasen« werden das Schauspielhaus und die Körber-Stiftung auch in diesem Jahr ihre Zusammenarbeit in Form eines Theaterfestivals für, von und mit Menschen ab 60 Jahren fortsetzen. Welches Wesen geht morgens auf vier Beinen, mittags auf zwei und abends auf drei? Ödipus löste dieses Rätsel, an dem so viele vor ihm gescheitert waren. Der Sage nach gab die griechische Sphinx Wanderern ein Rätsel auf, dessen Auflösung den Menschen in seinen drei Lebensabschnitten meinte: der Kindheit, der Zeit des Erwachsenenseins und dem Alter, in dem man zum Gehen einen Stock, das dritte Bein, benötigte. Diese Metapher kann heute nicht mehr allein Maßstab für das Altwerden in unserer Gesellschaft sein. Im Gegenteil. Die jetzige Generation der Rentner sind die »68er«, die sich nicht auf ein Leben unter dem Diktat der Gehhilfe reduzieren lassen. Vielmehr regen die »neuen Alten« eine Diskussion über die eigene körperliche wie geistige Leistungsfähigkeit an. Die Generation der »Alten« des Jahres 2010 wird im Rahmen der Theaterarbeit entschiedene Diskussionen führen, die eine völlig neue Vorstellung vom Leben im Alter zum Gegenstand haben. Das Alter ist nicht länger auf Gebrechen, Leid, Tristesse und Einsamkeit beschränkt, sondern meint Aktivität, Hoffnung und Vitalität. Das tradierte Bild von Ruhestand und Rentnerdasein gilt längst nicht mehr. Das Alter wird vielmehr begriffen als neue Lebensphase, in der man sich endlich all die Wünsche erfüllen kann, die jenseits der Verantwortung von Erwerbsund Erziehungsarbeit liegen. Warum nicht einen Marathon laufen, eine Weltreise machen, einen neuen Partner finden oder in einem Theaterstück mitspielen? Dieser Wandel hat auch generationsübergreifende Auswirkungen, denen sich die gesamte Gesellschaft stellen muss. Der Dialog zwischen den Generationen ist momentan sowohl für professionelle Theater, als auch für Amateurtheatergruppen ein zentraler Aspekt ihrer Arbeit. Das Festival »Herzrasen« versteht sich daher durchaus als Ort des Austauschs zwischen den Generationen, auch das Publikum [60-] darf sich angesprochen fühlen. Besuchen Sie uns bei »Herzrasen « und werden Sie gemeinsam mit uns vier Tage älter und um viele Erfahrungen reicher! Vom 30. September bis zum 3. Oktober 2010 wird im Schauspielhaus ein einzigartiges Gastspielprogramm rund um die Themen und das Selbstverständnis der älteren Generation gezeigt. Bereits am 29. September lädt die Körber-Stiftung ins Körber-Forum zur feierlichen Eröffnung. Prof. Dr. Andreas Kruse, Gerontologe an der Universität Heidelberg, wird einen Festvortrag zum diesjährigen Festivalmotto »Inszenierung des Alters« halten. Neben den Gastspielen wird es vier Tage lang ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Installationen, Workshops, Diskussionen und Vorträgen geben, die das Thema Alter in unterschiedlicher Weise thematisieren. Auch andere Spielorte, wie etwa das Maritim Hotel Reichshof und die Einrichtung »Pflegen und Wohnen« werden in diesem Jahr Kooperationspartner des Festivals »Herzrasen« sein.
»Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.«
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
HERZRASEN – 3. Theatertreffen [60+]
Fünf Tage »Herzrasen«
Das Spiel mit dem Alter, das Spiel der Alten: »Herzrasen« – 3.Theatertreffen [60+] in Hamburg bot vom 29. September bis 3. Oktober 2010 ein einzigartiges Spektrum für die theatrale Annäherung an Altersthemen und Altersbilder. Da waren sich nach fünf Festivaltagen Zuschauer, Spielleiter, Mitspieler und Veranstalter – das Deutsche Schauspielhaus und die Körber-Stiftung – einig.
Exemplarisch war der letzte Tag mit seinem furiosen Finale: Verdrängte Ängste, Festhalten am Alten und doch auch Sehnsucht nach Aufbruch kennzeichneten das Beziehungsstück der Seniorentheatergruppe vom Badischen Staatstheater, »Besuch bei Katt und Fredda«. Nur drei Spielende, Amateure allesamt, gestalteten ein dichtes und bewegendes Kammerstück über Paare im Alter.
Mit insgesamt 20 Stücken auf allen Bühnen des Schauspielhauses hat das Seniorentheaterfestival nicht nur quantitativ Maßstäbe gesetzt. Nirgends sonst gibt es ein solches Miteinander von Amateur- und Profitheater, nie vorher fand ein vergleichbarer bundesweiter Austausch von Seniorentheater-Machern statt. Die von der Körber-Stiftung organisierte begleitende Fachtagung attestierte abschließend dem Seniorentheater in Deutschland eine weitere Professionalisierung und zunehmende Qualität.
Pressetext Seniorentheatergruppe „BaSta“
SIBIRIEN von Felix Mitterer
Nach einer Eigenproduktion, drei Klassikerinszenierungen und zuletzt den vielbeachteten Aufführungen von Theresia Walsers „King Kongs Töchter“ und Ingeborg von Zadows „Besuch bei Katt und Fredda“, die ans Hamburger Schauspielhaus zum Festival „Herzrasen 60+“ eingeladen wurde, beschäftigt sich die Seniorentheatergruppe „BaSta“ am Badischen Staatstheater erstmals mit der Gattung des Volksstücks.
Der Autor Felix Mitterer stellt in seinem 1989 bei den Tiroler Volksschauspielen Telfs uraufgeführten und vom ORF verfilmten Stück einen Mann in den Mittelpunkt, der sich am Ende seines Lebens in einem Pflegeheim mit dem Erlebnis seiner Kriegsgefangenschaft konfrontiert sieht und sich mit aller Kraft gegen das Alter an sich auflehnt.
Die Senioren unter Leitung ihres Regisseurs Jochen Wietershofer gehen diesmal dem Versuch eines Menschen nach, im hohen Alter und gegen alle Widrigkeiten ein selbst bestimmtes Leben zu führen.
Pressespiegel:
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„[…] Das Werk stellt einen namenlosen ‚alten Mann’ vor, der sich voller Entsetzen in einem Pflegeheim wieder findet, in das seine Angehörigen ihn gegen seinen Willen eingeliefert haben. Für ihn ist diese Abschiebung eine zweite ‚Deportation’ – nicht unähnlich jener nach Sibirien nach dem Krieg, die er selbst erlebt hat. Vergebens lehnt er sich in einem verzweifelten Monolog gegen die unmenschliche Art seiner Behandlung auf, klagt seine Familie an, die sich seiner kaltblütig entledigt hat, und beschwert sich auch über das lieblose Pflegepersonal, das ihm kleine Vergünstigungen nur gewährte, so lange er es mit Geld bestechen konnte. […] Mitterers trauriges Stück von 1989 ist eine beredte, überaus beklemmende Anklage gegen die Fühllosigkeit der Menschen. Kurt Meyer, selbst hoch betagter Protagonist des Abends in der ‚INSEL’, spielt den verlassenen alten Mann in seinem ergreifenden Monolog mit großer Eindringlichkeit und bewegendem Ausdruck. [...]“
„Die Aufarbeitung von Traumata hatte sich das BaSta-Ensemble des Badischen Staatstheaters Karlsruhe für seine diesjährige Produktion als Aufgabe gestellt – hochaktuell angesichts der immer stärkeren Präsenz traumatisierter Bundeswehrangehöriger nach Einsätzen in Afghanistan, im Kongo und auf dem Balkan. In Felix Mitterers irreführend als ‚Volksstück’ bezeichnetem Drama ‚Sibirien’ geht es ursprünglich um das jahrzehntelang totgeschwiegene Trauma von Kriegsheimkehrern, die nach dem Zweiten Weltkrieg von einer psychologischen Hilfestellung bei der Rückkehr in die ‚Normalität’ nur träumen konnten. Die Seniorendarsteller um Regisseur Jochen Wietershofer haben für ihre Inszenierung in der Karlsruher ‚INSEL’ Mitterers ‚Sibirien’ in den ganz normalen Alltag eines Pflegeheims verlegt. Schade, dass bei der Premiere nur relativ wenige Zuschauer offenbar den Mut aufbrachten, sich mit dieser traumatischen Erfahrung auseinanderzusetzen. Verdient hätte diese Produktion ein erheblich größeres Publikum, denn vor allem die Leistung Kurt Meyers in seinem einstündigen Monolog ist ebenso erschütternd wie großartig. […]“
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Selbstbestimmter Tod?
Theatergruppe „BastA 60plus“spielt Sterbehilfestück „Alices Reise in die Schweiz“
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Badische Neueste Nachrichten (Karlsruhe)
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22 Nov 2016
„Sie reisen, wann immer Sie wollen. Eines Tages werden Sie wissen, es ist so weit.“Der Schweizer Gustav telefoniert mit Alice aus Deutschland. „In Zürich wird Sie niemand abholen, ich will, dass Sie den Weg an die Gertrudstraße alleine gehen, frei, ohne Zwang, ich möchte, dass Sie mit jedem Schritt umkehren können, auch noch vor dem letzten.“Ähnlichkeiten mit realen Personen und Ereignissen hat der Schweizer Autor Lukas Bärfuss in seinem Stück „Alices Reise in die Schweiz“beabsichtigt: An der Gertrudstraße in Zürich mietete der Verein Dignitas 1999 seine erste „Sterbewohnung“an. Der Verein ist eine der Schweizer Organisationen, die Freitodbegleitung leisten. Mit der Frage, inwiefern ein selbstbestimmter Tod in Würde möglich ist, setzt sich die Karlsruher Theatergruppe „BastA 60plus“in ihrer aktuellen Produktion auseinander. Jochen Wietershofer hat „Alices Reise in die Schweiz“mit sechs Darstellern im Jakobus-Theater inszeniert.
Bis auf einige Stühle in wechselnden Anordnungen ist der sich nach hinten verengende Bühnenraum leer. Doch im Text, in den Erinnerungen und Vorstellungen der Figuren, geht es immer wieder um Räume, Möbel, Bilder: das Büro der Sterbehilfeorganisation, das Wohnzimmer von Alices Mutter, das Büro eines Untersuchungsrichters, eine Gefängniszelle. Sich im Leben einzurichten, heißt auch, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Regisseur Wietershofer arbeitet mit wechselndem Licht, expressiver Choreografie und mehrdimensional gezeichneten Figuren, welche die Ambivalenz des Themas zeigen. Präzise führt er die Darsteller Dietlinde Ade, Hans-Joachim Burgert, Norbert Frensch, Dorothee León, Karin Pitzer und Lucia Wegner. Alice ist noch nicht alt, aber sie leidet. Wenn auch das Wort „Depression“nicht fällt, weist doch alles darauf hin. Ihre Mutter Lotte rät, weniger zu schlafen und mehr an die frische Luft zu gehen. Kleine Schritte. Alice aber ist zu dem einen großen Schritt entschlossen. Eine Reise in die Schweiz und 15 Gramm Natrium-Pentobarbital sollen ihr helfen. Sie hat sich an die Ärzte und Sterbebegleiter Gustav Strom und Theresa Berg gewandt. Beide treten überlegt und sachlich auf. Gründliche Information, nüchterne Vorbereitung. Testament, Versicherungen, Rücklagen. Ihnen gegenüber stehen eine von Allmachtsträumen getriebene abgebrochene Medizinerin, die sich, buchstäblich übergriffig, als Helferin aufdrängt, sowie ein opportunistischer, auch im wörtlichen Sinne kriechender Vermieter.
Unterdessen scheint Alice sich zu verändern. Sie interessiert sich für das Kleid, das sie trägt, für ihre Wirkung auf andere. Will sie immer noch sterben? Erkennt ihr Arzt Gustav eine Entwicklung? Viele Fragen, die offenbleiben, als Alice sich zur Rückwand dreht und die Bühne dunkel wird. (Sibylle Orgeldinger)
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ICH WAR 1914 FÜNFUNDZWANZIG
PREMIERE
14.05.2014 INSEL
Tagebuchaufzeichnungen der Eltern und Großeltern, Berichte aus den Schützengräben, Briefe aus der Heimat: die Seniorentheatergruppe BaSta und ihr Regisseur Jochen Wietershofer haben sich auf Spurensuche begeben nach einem Ereignis, welches oft als Urkatastrophe oder Zivilisationsbruch bezeichnet wird. Der Mensch als Individuum, dessen immer schon problematische Existenz in Kriegszeiten einer weitaus stärkeren Prüfung unterworfen wird, reagiert auf diese Ausnahmesituation: Halt suchend, den Krieg verklärend und symbolisch überhöhend, warnend, parodierend, sich an das Zuhause klammernd, das Geschehen als ungeheuerlich begreifend. Was bewegt den Menschen in solchen Zeiten? Ausgehend von dem Satz des Philosophen Sloterdijk, dass das "Dasein als solches eine akrobatische Leistung ist“, versucht die Volkstheatergruppe, die Geschehnisse des Ersten Weltkriegs für sich begreifbar zu machen: ein kafkaesker „Hochseilakt“ – mal realistisch, mal satirisch, mal absurd.
Eindringliche Erinnerungsarbeit
Das Leben eines Menschen ist eine akrobatische Leistung. So kann man es bei Peter Sloterdijk lernen, dessen Ge- danken zum Leben als ein Training im Seiltänzertum zum Sinn- und Bühnen- bild des neuen Stückes der Senioren- theatergruppe „BaSta“ wurden. In der gut besuchten Insel des Staatstheaters machten sich drei Damen (Dietlinde Ade, Karin Pitzer und Lucia Wegner) und zwei Herren (Erhard Hottenroth und Norbert Frensch) daran, sich des Vergessenen zu erinnern, das ehemals Gedachte konkret werden zu lassen. „Ich war 1914 fünfundzwanzig“, heißt die Bühnenproduktion, die sie gemeinsam mit Regisseur Jochen Wietershofer erarbeitet haben. Die Textgrundlage bilden private Aufzeichnungen dreier Generationen der Familien Wietershofer und Lindenlaub – der Regisseur ist ein Nachkomme beider Familien. Die Aufzeichnungen erstrecken sich von der Ko- lonialzeit bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Schwerpunkt liegt klar auf der Zeit des Ersten Weltkriegs. Zeugnisse von den Kämpfen am Kame- runfluss, die zeigen, wie selbstverständ- lich das Bild von der rassischen Überle- genheit des Europäers in jener Zeit verankert war, leiten über zu Aufzeichnungen im Vorfeld des Krieges, als der patriotische Überschwang auch kritisch denkende Menschen mit sich riss. Doch bald weichen die hehren Gefühle der Beschreibung von dumpfem Soldatentum und schließlich dem Grauen.
Die Darstellerinnen und Darsteller sitzen während ihrer Rezitationen auf weißen Quadern, deren große Anzahl auf der ansonsten leeren Bühne bedrücken- de Assoziationen an einen Soldatenfriedhof wachruft. In der Mitte der Bühne verläuft ein weißer Strich. Da- rauf balanciert ei- ner der Herren. Er ist die einzige Person, die direkt zum Publikum spricht und ist so etwas wie der personifizierte rote Faden, an dem sich die Chronologie entlangarbeitet. Er ist es auch, der die auf eine Leinwand projizierten Zitate vorliest, leise in sich hineinmurmelnd, vom Publikum abgewendet. Diese Zitate gliedern das Stück und geben ihm eine geschlossene Form. Die Zuschauer waren von der ersten Minute an vom Geschehen gefesselt und die Konzentration war deutlich im Raum spürbar.
(Jens Wehn) BNN, 16.05. 2014
Badisches Tagblatt, Irene Schröder, 16.05.2014
... eindrucksvolle Eigenarbeit der Seniorentheatergruppe des Badischen Staatstheaters Karlsruhe ...
Mit wenigen Beispielen gelingt es den Theatersenioren, diese schreckliche Logik begreifbar zu machen: Ob der Treueeid dem Kaiser oder dem Diktator galt - die Begeisterung war - zumindest bei der Jugend - groß, die Ernüchterung und die schreckliche Akzeptanz des Sterbens auch. ... Den Karlsruher Theatersenioren ist wieder einmal ein Stück gelungen, das unter die Haut geht.
Die Gewalt tarnt sich als Liebe
Sehenswertes Stück: „Alte Schachteln"
Zwei alte Damen. Die eine, Agnes, geht auf die 100 zu, die andere, Margret, ist 72 Sie sind Mutter und Tochter. Beide sitzen auf Stühlen, hinter sich eine pappkartonfarbene Wand, im Halbrund vor sich ein Wall aus Schachteln, Kartons, Kisten. Das Bühnenbild in Jochen Wietershofers Inszenierung von „Alte Schachteln", die jetzt im Jakobus-Theater Premiere feierte, zeigt es, noch bevor ein Wort gesagt ist: Hier haben sich zwei Menschen eingepanzert. Die Seniorentheatergruppe „Basta 60+" hat sich mit „Alte Schachteln" von Ingeborg von Zadow nicht unbedingt ein leichtes Stück ausgesucht. Der Titel lässt an Kaffeekränzchen-Komik und Altersgebrechen-Slapstick denken, doch nichts ist dem ferner. Die beiden Damen halten Inventur eines abgelegten und abgelebten Lebens. Dazu hat Margret ihren Neffen Pit alle verstauten Objekte vom Dachboden holen lassen, die den Damen zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens Requisit ihres Daseins waren. An diesen Dingen entlang entfaltet sich die Rückschau. An den Geschichten, die Dinge und Damen verknüpfen, zeigt sich auch die Beziehung von Mutter und Tochter, die mit dem Wort „schwierig" kaum ausreichend beschrieben ist. Die Mutter, von Karin Pitzer im Stil einer beherrschenden Matriarchin gegeben, ist von der Idee der Inventur nicht begeistert, denn „wer weiß, was aus den Schachteln hervorkommt". Die Tochter, von Dietlinde Ade als Frau, die sich nie von ihrer Mutter lösen konnte, interpretiert, nutzt die Wiederbegegnung mit abgelegten Gegenständen zur seligen Erinnerung wie zum hilflosen Nachtrauern um verpass- te Gelegenheiten. Eine Kaffeekanne etwa wird zur Erinnerung an die vielen Herren, die Agnes sonntags empfing. Das war Stadtgespräch, doch diente eigentlich dazu, Margret unter die Haube zu bringen. Die aber sehnt sich noch heute nach ihrer Liebe, einem amerikanischen Piloten, der die Berliner Luftbrücke beflog und irgendwann wieder nach Hause ging. Die Interventionen von Agnes ketteten die Tochter an sie - die Versuche Margrets, die von der Mutter nur „Margretchen" gerufen wird, diese Ketten zu sprengen, scheiterten. Die Gewalt, die ausgeübt wird, ist subtil, ist leise und scheint immer nur das Wohl des Anderen zum Ziel zu haben. Die Monstrosität hinter dem Häkeldeckchen hat trotzdem, die Reaktionen des Publikums zeigten es, komische Momente, denn sie entsteht auch bei der Mutter bloß aus Schwäche. Nur Neffe Pit, dem Hans-Joachim Burgert eine vergnügte Burschikosität verleiht, kontrastiert dank stetig wechselnder Freundinnen - alle gespielt von Lucia Wegner - diese seelische Bestandsaufnahme mit Übermut. Anhaltender Applaus für eine sehenswerte Inszenierung.
(Jens Wehn/BNN 06.11.2017)